Lernen mit Text, Bild und Ton
Zu dieser Woche sollten wir folgende Texte lesen und Übungsaufgaben in unserer Wiki-Arbeitsgruppe bearbeiten.
- Kerres, Michael (2012). Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote. Kapitel 06-Lernen mit Text, Bild, Ton. S.143-160 München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.
- Lernen mit Text und Bild
- Interaktive multimediale Materialien: Gestaltung von Material zum Lernen und Lehren
Der Text von Kerres beschäftigt sich in Kapitel 6 damit, wie am besten mit Text, Bild und Ton gelernt werden kann. Dabei geht Kerres zuerst auf die Merkmale des Arbeitsgedächtnisses ein, um daran anschließend drei verschiedene Theorien vorzustellen (kognitive Beanspruchung, mentale Anstrengung und multimediale Informationsverarbeitung). Abschließend werden Gestaltungsregeln für Text, Bild und Ton genannt, die an die vorherigen Ergebnisse anschließen und somit einen Leitfaden bieten.
Der Text Lernen mit Bild und Ton beschäftigt sich mit der Einbettung der beiden Elemente zum optimalen Lernerfolg. Dabei wird betont, dass Bilder genauso komplex wahrgenommen werden müssen wie Text und deshalb in der Regel zum Verstehen eine Beschreibung benötigen. Es wird insbesondere Kritik an der Theorie der multimedialen Informationsverarbeitung geübt, die im Text von Kerres vorgestellt wird.
Der Artikel „Interaktive multimediale Materialien: Gestaltung zum Lernen und Lehren“ beschäftigt sich mit der Einbindung von Materialien zum Lernen und Lehren. Bei diesem Text ebenfalls den Eindruck, dass teils eine andere Ansicht als beim Grundlagentext von Kerres vertreten wird. Dies zeigt sich vor u. a. in der Aussage, eine Textdatei grundsätzlich mit einer Audiodatei verknüpft werden sollte, da das Hören und Lesen die Aufnahme des Inhalts erleichtern soll. Hier wird insbesondere mit den unterschiedlichen Sinneskanälen argumentiert. Auch die Aussage, dass sich kleine einfache Tests bestens eignen, um das Erlernte dauerhaft im Gehirn zu verankern deutet darauf hin, dass hier es sich hier um einen anderen Ansatz handelt. Gerade Assoziationen wie „einfach“ lassen gemäß der von Kerres verwendeten Theorie der mentalen Anstrengung darauf schließen, dass sich solche Aussagen unbewusst auf den Lernerfolg auswirken können.
Wie funktioniert das Arbeitsgedächtnis?
Informationen gehen im sensorischen Speicher (Zwischenspeicher) ein. Dabei werden auditive Informationen 3 Sekunden gespeichert und visuelle 1 Sekunde. Wichtige Informationen können nun innerhalb von 30 Sekunden im Arbeitsgedächnis weiterverarbeitet werden. Zu beachten ist allerdings, dass nur 5 Elemente gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden können.
Damit es zu einer Speicherung im Langzeitgedächtnis kommt, müssen die Informationen kompiliert und elaboriert werden. Kompilieren bedeutet, dass der Informationsgehalt abgewogen und sinnvoll miteinander verknüpft werden muss. Dieser Prozess erfolgt unbewusst durch Automatisierung und ist abhängig vom Individuum. Bei der Elaboration wird an bereits vorhandenes Wissen angeknüpft und dieses somit vernetzt und modifiziert.
Wie bereits erwähnt ist zu beachten, dass nur 5 Elemente gleichzeitig verarbeitet werden können. Was ist nun aber ein Element? Ein Element besteht aus Sinneinheiten. Diese Sinneinheiten werden durch die Beschäftigung mit einem Thema gebildet. Das bedeutet, je öfter und intensiver ich mich mit einem Thema befasse, desto größer wird die Sinneinheit, da sich neues Wissen an bereits bestehendes anbindet. Dass bedeutet aber auch, dass diese Sinneinheiten gerade bei Anfängern, die über vergleichsweise wenig Vorwissen verfügen entsprechend kleiner sind.
Kann man passiv lernen?
Die Speicherung im Langzeitgedächtnis kann nur dadurch erfolgen, dass die Person ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Informationen fokussiert. Diese Informationen müssen dann weiterverarbeitet, sinnvoll miteinander verbunden und schließlich mit Vorwissen verknüpft werden. Dieser Vorgang setzt eine aktive Beschäftigung mit der Materie voraus. Das bedeutet, man muss sich aktiv und intensiv mit etwas beschäftigen, damit es im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden kann.
Kognitive Beanspruchung vs. mentale Anstrengung vs. multimediale Informationsverarbeitung
Aus der oben genannten Funktionsweise des Arbeitsgedächtnisses ergeben sich verschiedene Annahmen.
Die Theorie der kognitiven Beanspruchung geht von einer begrenzten Aufnahmekapazität des Arbeitsgedächtnisses aus und warnt somit vor einer Überbeanspruchung der Aufnahmefähigkeit.
Laut dieser Theorie müssen Lerninhalte so konzipiert werden, dass sich auf das Wesentliche konzentriert werden kann. Es geht also darum, die Aufnahmekapazität des Lerners nicht überzustrapazieren. Da sich mit der Zeit größere Sinneinheiten bilden und der Lerner somit mit mehr Wissen hantieren kann, muss sich die Aufgabenreduzierung dem Lernniveau anpassen. Weiterhin muss der Lernprozess an sich angeregt werden, da nur die aktive Beschäftigung mit einer Sache, Gegenstand zu bleibenden Wissen führt. Das impliziert zugleich, dass der Lerner auch nicht unterfordert werden darf, da man in diesem Fall davon ausgehen kann, dass der Lerner weniger motiviert ist, sich nicht so intensiv mit der Materie befasst und dementsprechend nicht das Langzeitgedächtnis angesprochen wird.
Interessanter Weise ergibt sich aus der Theorie der kognitiven Beanspruchung die Beobachtung, dass der Lernerfolg gerade bei Anfängern mit statischen Bildern größer war, als bei animierten Bildern. Dies wird dadurch erklärt, dass sich die Lernenden bei statischen Bildern die Animation selber vorstellen müssen und somit eine aktive Verarbeitung im Gehirn vollzogen wird, die für bleibendes Wissen Voraussetzung ist.
Die Theorie der mentalen Anstrengung geht von der Beobachtung aus, dass der geringe Lerneffekt aus der geringen Beschäftigung mit dem Lernmaterial resultiert. Wissen kann aber nur dann im Langzeitgedächtnis gespeichert werden, wenn man sich intensiv mit einer Sache beschäftigt, diese abwägt, altes mit neuem Wissen verknüpft. Findet dieser Prozess nicht statt, kann Wissen nicht im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden.
Somit ergeben sich unter dieser Betrachtungsweise Motivationsprobleme. Wenn nicht genug intrinsische oder extrinsische Motivation vorliegt, wird es schwer werden, Informationen im Langzeitgedächtnis abzuspeichern. Der beste Lernerfolg stellt sich nach dieser Theorie dann ein, wenn sich eine günstige Motivation aus Erwartungshaltung und Wert ergibt. Unter der Erwartungshaltung versteht man die Wahrscheinlichkeit, mit welcher der Lerner die Aufgabe lösen kann. Darüber hinaus ist der Wert und die Wichtigkeit der Aufgabe für die Person wichtig. Also, welchen Wert hat die Aufgabe für die betroffene Person, bzw. wie wichtig ist es der Person, diese Aufgabe zu lösen.
Interessanter Weise wurde beobachtet, dass die Informationen, die einzelne Medien bieten unterschiedlich bewertet werden. Das Fernsehen wird häufig in Verbindung mit Unterhaltungsmedien gebracht, die Spaß bringen, wohingegen Büchern mit einer gewissen mentalen Anstrengung verbunden werden. Das Resultat war, dass Medien, die mit mehr Anstrengung verbunden wurden, einen besseren Lerneffekt brachten.
Tatsächlich ergaben Studien, dass in Ländern, in denen bestimmte Medien als besonders einfacher Weg zum Lernerfolg angepriesen wurden, schlechter abschnitten, als in anderen Ländern, wo diese Beschreibung nicht zutraf.
Die Theorie der multimediale Informationsverarbeitung geht von einer doppelten Codierung von Informationen aus. Dabei werden zwei Systeme unterschieden:
- das verbale System
- das nicht-verbale System
Informationen können gemäß dieser Theorie besser aufgenommen werden, wenn sie in beiden Systemen des Gehirns gespeichert werden. Also sowohl im verbalen, als auch im nicht-verbalen System. Wenn also zum Beispiel ein Bild auf einem Bildschirm erscheint und die Aufmerksamkeit auf dieses Bild gelenkt wird, dann werden diese Informationen über die Augen aufgenommen, im Arbeitsgedächtnis über Bilder verarbeitet und ein bildhaftes Modell erstellt und mit der Verknüpfung von Vorwissen im Langzeitgedächtnis abgespeichert. Ähnlich funktioniert dies bei Tönen, der Ton wird über den sensorischen Speicher aufgenommen, bei entsprechender Aufmerksamkeitslenkung im Arbeitsgedächtnis weiterverarbeitet zu einem verbalem Modell, mit Vorwissen verbunden und im Langzeitgedächtnis abgespeichert. Eine komplexere Form liegt bei geschriebenem Text vor, da diese in beiden Systemen stattfindet.. Dieser Text wird über die Augen aufgenommen, bei entsprechender Aufmerksamkeitslenkung an das Arbeitsgedächtnis weitergeleitet. Aus den bildhaften Informationen wird anschließendes ein verbales Modell erzeugt.
Gemäß dieser Ansatzes, können Lerner Bilder, denen nützliche Informationen zugeordnet sind, besser verarbeiten, da diese Informationen in beiden Systemen kodiert werden müssen und somit miteinander verknüpft werden können. Gerade bei Anfängern, ergibt sich ein Vorteil, da diese über weniger Vorwissen verfügen und sich ein umfassenderes Bild machen können, ohne das Arbeitsgedächtnis unnötig zu belasten.
Auf keinen Fall soll man nach diesem Ansatz einen geschriebenen Text zusätzlich mit Ton unterlegen, da es hier zu einer Differenz zwischen geschriebenen und gesprochenem Text kommt, die eine unnötige Belastung des Arbeitsgedächtnisses bedeuten.
Schlussfolgerungen laut Kerres
- Informationen als Text und Bild präsentieren
- Bild vor Text
- Informationen eines Codes nicht auditiv und visuell präsentieren
- komplexe Grafiken mit gesprochener Sprache erklären
- überflüssiges weglassen
- eher (reduzierte) Bilder statt Animationen/Videos für Personen mit wenig Vorwissen
- zusammenhängende Informationen räumlich nahe und zeitlich nahe präsentieren
- redundante Informationen in der Kombination von Bild und Text vermeiden
- Wichtigkeit von Informationen durch Hinweise gewichten
- die Lernenden persönlich ansprechen
- einen Bezug zu den Lernenden herstellen
- den richtigen Schwierigkeitsgrad kommunizieren
Meine Lernerfahrung
Tatsächlich waren mir bereits einige der genannten Überlegungen über die Funktion des Arbeitsgedächtnis bekannt. Gerade die Idee, dass man nur zu bleibendem Gewissen gelangt, indem man sich aktiv mit einer Sache beschäftigt, habe ich bereits bei Spitzer, aber auch bei Born gelesen. Ebenfalls die Tatsache, dass die Motivation eine wichtige Rolle spielt, war mir bereits bewusst. Born, et. al. beschreiben in ihrem Artikel „Sleep Inspires Insight„, dass für eine optimale Verknüpfung im Gehirn ausreichend Schlaf notwendig ist. Sie beschreiben, dass man zu besseren Lernergebnissen kommt, wenn man sich über längere Zeit intensiv mit einem Thema befasst. Diese Beschäftigung sollte optimaler Weise nicht komplett abgeschlossen werden, sondern es soll immer ein Anschlusspunkt für den nächsten Tag bestehen bleiben. Der Vorgang der Konsolidierung und Vernetzung im Gehirn findet laut Born, et. al. in der Schlafphase statt. Somit bilden sich während des Schlafes entsprechende Sinneinheiten, die am nächsten Tag durch den Anschluss an bereits erworbenes Vorwissen erweitert und in der nächsten Schlafphase vertieft werden.
Wenn ich an meine eigene Lernerfahrung denke, komme ich zu ähnlichen Beobachtungen. Um mir Dinge ins Gedächtnis einzuprägen, gehe ich in der Regel so vor, dass ich mich intensiv mit dem Stoff befasse, überlege, welche Aspekte wichtig sind, diese Aspekte in Frage und Antwortform verpacke, um die wichtigsten Aspekte zu lernen. Alleine durch die Beschäftigung mit der Materie bleibt schon sehr viel im Gehirn hängen. Dadurch, dass ich versuche den Stoff zu ordnen, zusammenzufassen und zu katalogisieren, ergibt sich ein weiterer Lerneffekt. Des Weiteren stelle ich fest, dass die Konsolidierung bei mir tatsächlich im Schlaf stattzufinden scheint. Das bedeutet, wenn ich mich aktiv und vor allem intensiv mit einer Thematik beschäftige, begegnet mir diese im Schlaf wieder und ich versuche sie zu vernetzen. Sicherlich kann ich in diesem Fall nur für mich sprechen, doch scheinen mir die Befunde von Born et. al. schlüssig.
Des Weiteren ist dieser Kurs, und auch der vorherige „Web 2.0“ sehr intensiv und aktiv gestaltet. Das bedeutet, wir beschäftigen uns wöchentlich mit verschiedenen Themengebieten, die aufeinander aufbauen. Somit knüpfen wir an bereits vorhandenes Wissen an und bauen dieses somit kontinuierlich aus. Wie tief sich der einzelne mit der Thematik beschäftigt, hängt von verschiedenen Faktoren, wie Motivation, Wert der Veranstaltung, persönliche Wichtigkeit, sonstigen Zuschreibungen, ab. Für meine Person kann ich allerdings sagen, dass mir diese Veranstaltung aufgrund ihrer Kontinuität besonders viel gebracht hat. Ich habe das Gefühl, dass die Beschäftigung mit der Materie viel intensiver und gewinnbringender ist.
Was bedeutet das für die Schule?
Damit Schülerinnen und Schüler aktiv lernen können, müssen Inhalte auf sie zugeschnitten werden und ihnen muss die Möglichkeit gegeben werden, dass sie sich aktiv mit der Materie beschäftigen können. Um sich aktiv mit einer Sache beschäftigen zu können, die Aufmerksamkeit auf diese Sache zu richten, ist ausreichend Zeit von Nöten. Das heißt aber auch, dass die einzelnen Medien wie Text, Bild und Ton sinnvoll aufeinander abgestimmt werden müssen, dass die Kapazität des Arbeitsgedächtnis berücksichtigt und dass an bereits vorhandenes Wissen angeknüpft werden muss.
Darüber hinaus ist die Motivation der Schülerinnen und Schüler von besonderer Bedeutung, der Wert, der diesem Medium zugeschrieben wird, die Relevanz, die das Thema für das weitere Leben der Schülerinnen und Schüler haben wird. Es wird kaum langfristiges Lernen möglich sein, wenn Schülerinnen und Schüler den Eindruck bekommen, dass bestimmte Themenbereich für ihr weiteres Leben unwichtig sein werden, oder wenn sie mit Aufgaben über- oder unterfordert sind.
Das bedeutet aber auch, dass um Schülerinnen und Schüler erfolgreich auf die Welt von morgen vorzubereiten, ein Umdenken in den Köpfen der Gesellschaft stattfinden muss. Lehrerinnen und Lehrer müssen so geschult werden, dass sie auf unterschiedliche Bedürfnisse, Wissensstände eingehen können, genügend Zeit zur Verfügung steht und das sie zu vermittelndes Wissen möglichst mit der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler verknüpfen. Weiterhin müssen sie selber motiviert sein. Man kann nur dann Interesse für ein bestimmtes Thema schaffen, wenn man selbst davon überzeugt ist.