Lernerfahrung Mediensozialisation

Und wieder gab es eine neue Gruppenaufgabe zu bewältigen. Grundlage war, wie bereits vorletzte Woche, das Buch Medienpädagogik: Ein Studienbuch zur Einführung (S. 33 – 60).  Dort beschäftigten wir uns mit verschiedenen Fragen zur Mediensozialisation von Kindern und Jugendlichen. Da die Fragen bereits in unserem Seminarwiki beantwortet wurden, möchte ich darauf nicht explizit eingehen. Vielmehr möchte ich meiner Ansicht nach wichtige Punkte des Buches reflektieren.

Mediensozialisation: Was ist denn das?

Unter Sozialisation versteht man die wechselseitige Einflussnahme zwischen Individuum und Umwelt, wodurch sich das Individuum persönlich entwickelt und zu sich selbst findet. Es ist also keine bloße Anpassung, sondern eine Mitgestaltung des Einzelnen an der Umwelt. Bei Kindern und Jugendlichen beschäftigt sich die Mediensozialisation mit den Medien, die für die psychosoziale Entwicklung  relevant sind (Vgl. Süss, et al., 2013, S. 33). Somit ist Ziel der Mediensozialisation zu untersuchen, in welcher Weise die Medien im Laufe des Lebens Einfluss auf unsere Entwicklung nehmen.

Verschiedene Strömungen

Welchen Einfluss haben nun Medien auf unsere Entwicklung? Einen eher positiven oder negativen? Hierzu gibt es verschiedene Theorien. Die drei wichtigsten sind folgende:

  • kulturpessimistische Position
  • medieneuphorische Position
  • kritisch-optimistische Position

Die kulturpessimistische Position ist gleichzeitig die älteste, die immer wieder von neuen Konjunktur erhält. Sie sieht den Einsatz von Medien eher kritisch und ist gegen den Einsatz von neuen Medien an Schulen. Gefahren sieht sie insbesondere in der Medienverwahrlosung bzw. in Verohungs- und Suchtpotentialen der Bildschirmmedien. Dabei wird laut Aussage der Autoren recht einseitig vorgegangen, indem empirische Befunde der Medienwirkungsforschung nur selektiv berücksichtigt werden.

Einer der bekanntesten Vertreter des Kulturpessimismus ist Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer, der nicht zuletzt mit seinem Buch „Digitale Demenz“ auf sich aufmerksam machte. In meinem Artikel Videoanalyse: Teaching in the 21. Century gehe ich unter anderen auf die Thesen von Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer ein. Bereits im April diesen Jahres habe ich sein Werk „Digitale Demenz“ rezensiert. Die Rezension ist in meinem Bücherblog nachzulesen.

Die medieneuphorischen Position geht den entgegengesetzten Weg, indem die Chancen die sich aus den neuen Medien ergeben, in den Vordergrund gerückt werden. Auf Risiken wie Mediensuchtverhalten, Konsumismus, Verschuldung, etc. wird nicht angemessen eingegangen.

Bei der kritisch-optimistischen Position handelt es sich um einen Mittelweg aus den beiden vorher genannten Theorien. Es wird versucht Vor- und Nachteile neuer Medien zu untersuchen, wobei laut Aussage der Autoren ebenfalls eine Fokussierung auf negativ konnotierte und bedenkliche Inhalte festzustellen ist. In dieser Perspektive werden Medien nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung gesehen.

Alpha- und Beta-Welt

Diese 1996 von dem Kinderpsychologen Miller geprägten Begriffe, sind dem kritischen Optimismus zuzuordnen. Unter der Alpha Welt versteht er die Welt im hier und jetzt, also die tatsächliche Welt, in der wir Dinge real erleben und Handlungen durchführen. Die Beta-Welt ist dagegen die digitale Welt des Internets, etc.. Für eine positive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen  ist es wichtig, dass möglichst viele, reichhaltige Erfahrungen aus beiden Welten gezogen werden. Problematisch wird es erst, wenn in der Alpha Welt wenig Ressourcen angeboten werden (Vernachlässigung, etc.) oder es zu zahlreiche Belastungen, wie zum Beispiel Alkoholsucht eines oder beider Elternteile oder Misshandlung kommt. In einem solchen Fall steigt die Gefahr für den kompletten Rückzug in die digitale Welt.

Wissensklufttheorie

Ein weiterer interessanter Ansatz ist die Wissensklufttheorie, die davon ausgeht, dass aufgrund der Fülle an Informationen, die durch neue Medien gewonnen werden können, die Schere zwischen den sozialen Schichten immer größer wird. Was bedeutet das? In der heutigen und vor allem der Welt von morgen wird es immer wichtiger, mit den neuen Medien umgehen zu können. Wenn Kinder heute nicht lernen, wie sie diese Medien sinnvoll bedienen, sich darin orientieren können, wird es Ihnen später nur schwer möglich sein einen Arbeitsplatz zu finden, sozial anerkannt zu werden oder am gesellschaftlich kulturellen Leben teilzuhaben. Die Wissensklufttheorie geht davon aus, dass wir in einer Wissensgesellschaft leben, die sich rasant entwickelt. Die immer kleiner werdende gesellschaftliche Elite hat sich bereits hierauf eingestellt, fördert ihre Kinder entsprechend, wohingehend Kinder aus sozial schlechter gestellten Familien das Nachsehen haben.

Sozial benachteiligte Jugendliche

Tatsächlich belegen Studien, dass Kinder aus sozial schwächeren Elternhäusern weniger kompetent im Umgang mit neuen Medien sind. Dies heißt nicht, dass sie diese nicht bedienen können, sondern dass es häufiger zu Risikoverhalten kommt. Dies kann sich im Rückzug aus der Alpha-Welt äußern, weil man sich dort nicht mehr wohl fühlt und in übermäßigem Konsum enden. Bei Kinder aus besser gestellten Elternhäusern wird der Konsum von Internet und Co. häufiger reglementiert, es wird darauf geachtet, dass altersgerechte Inhalte gesehen werden oder es wird dazu angehalten kindgerechte Wissenssendungen zu sehen. Diese Sendungen führen in der Regel zu einem Wissensvorsprung, auf dem aufgebaut werden kann. Im Allgemeinen fällt es Jugendlichen aus sozial besser gestellten Elternhäusern leichter, sich in den Medien zu orientieren, zwischen Genres zu unterscheiden. Das dies wichtig ist, zeigt eine Befragung aus dem Jahre 1999 bei denen 650 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren zu ihrem Umgang mit den damals üblichen Talkshows befragt wurden. Es wurde deutlich, dass Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien häufiger davon ausgingen, dass die gezeigten Charaktere „echte“ Probleme diskutierten, wohin gegen Jugendliche aus besser gestellten Bildungsschichten durchaus dazu in der Lage waren, die Inszenierung dahinter zu erkennen und diese zu reflektieren.

Medienbildung in der Schule

Wenn es tatsächlich der Fall ist, dass die Medienbildung einen so großen Einfluss auf die psychosoziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen hat und mit späteren Lebenschancen in Verbindung steht, ist es umso wichtiger, dass bereits in der Schule damit begonnen wird Gefahren aufzuzeigen, Orientierung zu geben, einen sinnvollen Umgang mit diesen Medien zu lernen und Risikoverhalten vorzubeugen. Dazu müssen Schulen entsprechend ausgestattet sein, um allen Kindern und Jugendliche eine optimale Entwicklung zu bieten.

Verschiebung des Lebensmittelpunkts der Gesellschaft in Virtuelle Welten

Könnte es sein, dass sich unsere Gesellschaft tatsächlich dabei befindet ihren Lebensmittelpunkt in virtuelle Welten zu verschieben und dadurch den Bezug zur Realität zu verlieren? Wie bereits oben beschrieben, ist für eine gute mediale Entwicklung eine reichhaltige Alpha- und Beta-Welt notwendig. Wenn Anregungen aus beiden Welten vorhanden sind, wenn Kinder und Jugendliche gelernt haben sich darin zu orientieren und nicht alles für bare Münze zu nehmen und keine besonderen Belastungen bestehen, können virtuelle Welten auch im positiven Sinn genutzt werden. Gerade für die Arbeitswelt wird die vernetzte Welt ein immer größerer Bezugspunkt. Es ist möglich sich in der virtuellen Welt mit Geschäftspartnern zu treffen und Projekte gemeinsam zu bearbeiten. Darüber hinaus bieten sich auch andere Möglichkeiten wie das Lernen von Fremdsprachen außerhalb der Schule in virtuellen Welten wie Virtlantis, wo jedem die Möglichkeit gegeben wird, sich individuell, kostenlos und zwanglos weiterzubilden, Kontakte zu schließen, zu pflegen oder gar eigene Lernangebote anzubieten.

Virtlantis 5

Virtlantis 1

Virtlantis 2

Darüber hinaus bietet Virtlantis auch kostenlose Konzerte und anderere Aktivitäten an.

Virtlantis 3

Fazit

Die digitale Welt bietet denjenigen unzählige Möglichkeiten, die gelernt haben sich darin zu orientieren, angemessen zu verhalten, über Gefahren und Risiken bescheid wissen und den Bezug zur tatsächlichen Welt nicht verlieren. Die Chancen und der Nutzen besteht in allen Lebensbereichen, vom sozialen Umfeld bis hin zur Arbeitswelt. Diese Möglichkeiten dürfen keineswegs nur besser gestellten vorbehalten sein, sondern müssen grundsätzlich jedem Individuum offenstehen. Dazu bedarf es aber nicht lediglich der theoretischen Nutzung, sondern die Grundlagen müssen aktiv bereits in frühester Jugend durch geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden.  Dies ist eine Aufgabe die der Staat und die Gesellschaft gemeinsam bewältigen muss, sie kann nicht allein bei den Eltern liegen, da ansonsten Kinder- und Jugendliche aus sozial schlechter gestellten Elternhäusern benachteiligt werden. Somit sollte der Umgang eine zentrale Aufgabe der Medienpädagogik in Schulen sein.